Über das Reisen
Reisen kann man nicht
beschreiben oder verstehen, bevor man es nicht selbst erlebt, das
habe ich gelernt. Ich habe so viele Reiseblogs und Artikel in
Deutschland gelesen, mich so gut vorbereitet, dass ich dachte ich
wüsste schon wie das wird. Was für eine Illusion! Reisen ist
einzigartig.
Im Judentum glaubt man, dass
Schmetterlinge die freien Seelen der Verstorbenen sind und genauso
fühle ich mich, wie eine Seele von Ort zu Ort fliegend, nur dass ich
mich noch nie so lebendig gefühlt habe. Mit jedem neuem Ort kommen
neue Muster und Farben und Formen auf meine Flügel, werden diese
schillernder und detaillierter und ein Abdruck dessen, was ich erlebt
und empfunden hat. Sie wachsen jedes Mal ein bisschen mehr und wenn
man zurückblickt, kann man erkennen wie sehr einen ein Ort bewegt
und beeinflusst hat, was er einem gegeben hat, was für ein Mensch
man dort war. Emotionen beim Reisen sind so viel stärker, oder
vielleicht kommt es auch nur mir so vor, aber manchmal fühlt man
sich einfach so frei, dass man das Gefühl hat vom Boden abzuheben.
Man ist nicht einfach nur glücklich, nein es ist wie eine weiß und
golden leuchtende Kugel im Bauch die den ganzen Körper mit Wärme
ausfüllt und einen blendet mit ihrem Licht. Oder in anderen Momenten
fühlt man sich so lebendig, dass jeder Atemzug sich anfühlt wie der
Erste und man die Luft und Energie in sich vibrieren und durchströmen
spürt.
Man kann so high werden vom
Leben, vom Moment man braucht gar keine Drogen oder Alkohol mehr, und
genau das ist es, was ich am reisen so liebe. Einfach die Flügel
ausbreiten und sich davontragen lassen vom Leben und der Welt und den
Flügeln beim Wachsen zuschauen.
Der Körper des
Schmetterlings allerdings bleibt gleich, denn man wird so sehr man
selbst, dass die Umrisse, am Anfang verschwommen und wirr, mit jedem
neuen Tag ein wenig schärfer und klarer werden, die Farben stärker
und strahlender. Man legt seine Masken und Hüllen ab wie die Raupe
den Kokon, denn es wird viel zu anstrengend diese aufrecht zu
erhalten, und die Zeit mit anderen zu kurz für solche Spielchen.
Denn Reisen ist ein
ständiger Wandel und die einzige Konstante, die man hat, ist man
selbst, denn, wie sagt man so schön: Willst du dich selbst entdecken
so bereise die Welt, doch willst du die Welt bereisen so schaue in
dich selbst.
Das Leben wird plötzlich
Möglichkeit eine surreale Mischung aus Freiheit und Möglichkeiten,
überraschenden und inspirierenden Menschen, Kunst, Natur, Schönheit
und Träumen die ihren ganz eigenen Geschmack auf der Zunge
hinterlassen.
Man fliegt von Blume zu
Blume saugt hier und da ein wenig von dem Nektar und verlässt diese
wieder gestärkt. Doch manchmal wird der Nektar einer bestimmten
Blume einen so berauschen, dass man jedes kleine bisschen gierig in
sich aufnimmt und diesen trunken und voll später als erwartet wieder
verlässt. Manchmal wird man sich in der Gesellschaft von anderen
finden, eine Zeit lang zusammen umherfliegen um sich dann nach
einiger Zeit wieder alleine auf den Weg zu machen, doch die
Begegnungen bleiben wie kleine Fäden an einem kleben und tragen eine
Erinnerung.
Doch Reisen sind nicht nur
Regenbogenmomente und Sonnenscheingefühle manchmal wird es auch
hässlich und frustrierend, ekelig und schmerzhaft.
Manche Orte hinterlassen
schwarze, stinkende Flecken und Muster auf meinen Flügeln,
hartnäckige kleine Biester. Es gibt Tage, da ist man so unendlich
traurig, die lieben Menschen die man trifft zu verlassen oder man
bekommt so starkes Heimweh, dass man förmlich zerfließt, ein großer
grauer Ozean durchzogen von bleich-blauen Schlieren. Dann wieder ist
man so wütend, wenn Dinge und Systeme nicht so funktionieren, wie
sie sollten und man es möchte und man einfach niemanden findet der
Ahnung hat oder einem helfen kann. Dann steht man da, aggressiv und
unendlich frustriert weil man merkt wie hilflos man ist, dass man
einfach nichts, NICHTS an der Situation ändern kann, man in dieser
gefangen ist und keinen Ausweg findet. Das sind die unschönen Tage
auf Reisen, wenn man durch stinkende Städte läuft, auf der Suche
nach einem halbwegs annehmbaren Ort zum schlafen, wenn man an
heruntergekommen Bahnhöfen und Busstationen warten muss,
ununterbrochen angestarrt von zwielichtigen und unheimlichen
Gestalten.
Ja, an manchen Tagen kann
reisen wirklich zum Alptraum werden. Doch diese Tage sind in der
Minderheit, sie sind sogar selten und wenn man zurückblickt, wird
man sehen, dass diese schwarzen Flecken in dem großen Muster gar
nicht mehr auffallen, dieses sogar ergänzen und in Schönheit
erweitern. Hinterher ist man immer stärker, kann darüber lachen und
um einiges selbstbewusster und stolz, dass man nicht aufgegeben hat.
Es gibt einige Arten sich
selbst zu finden, man kann meditieren, therapieren, Selbstversuche
durchführen oder eben reisen.
So schwer es auch ist den
ersten Flügelschlag zu tätigen, so einfach sind der zweite und
dritte und ehe man sich versieht ist man schon über neun Monate
unterwegs und blickt zurück auf alles was man erlebt hat und ist
einfach nur glücklich, dass man diesen ersten Flügelschlag getan
hat.
You can't buy happiness
but you can buy a planeticket and that's kind of the same thing.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen